Das Gailtal in den Jahren 1918 bis 1920

Ein Bericht vom Obmann Oswald Oman

Kärnten und das Gailtal liegen an der Schnittstelle dreier Völker und Kulturen. Dieser Umstand hat das Tal auch besonders geprägt. Auch war dieses Gebiet im ersten Weltkrieg besonders stark in Mitleidenschaft gezogen.

Die angestammte Grundbevölkerung der deutschen und windischen Kärntner (Karantanen), hat ihre Flurnamen, Hausnamen, Berge und Täler in der windischen Bezeichnung schon seit tausend Jahren verwendet.

Die Bevölkerung im unteren Gailtal, auf der Südseite des Tales von Maria Gail, Fürnitz bis Förolach und auf der Schattseite Vorderberg, Egg bis Micheldorf sprach neben den deutschen Dialekten auch den slawischen Dialekt, das Windisch. Die neuslowenische Sprache war nur wenigen Priestern oder intellektuellen Personen, die sehr oft in Laibach studiert haben und dorthin Verbindungen pflegten, geläufig.

Vorderberg war noch Mitte des 19. Jahrhunderts eine rein slowenischsprachige Gemeinde. Insbesondere jene Männer, die ihren Lebenserwerb auswärts suchen mussten oder sich im Fuhrwerkswesen und bäuerlichen Handel betätigten, besaßen allerdings vielfach Kenntnis der deutschen und im geringeren Maß auch der italienischen Sprache. Im unteren Gailtal war es üblich, Knaben und Mädchen zur Erlernung der deutschen Sprache in deutschsprachige Gegenden zu schicken. Einen nachhaltigen Eindruck von der Sprachgewandtheit der hier ansässigen Bevölkerung hinterließ Ende des 18. Jahrhunderts bei Julius Heinrich Gottlieb Schlegel die Begegnung mit einem Wallfahrer, den er bei seiner Wanderung über das Gebirge vom Kanal- ins Gailtal traf: „ ……… gesellte er sich wieder zu uns. Auch er war ein Wende, sprach aber deutsch ebenso fertig und schnell, wie seine Muttersprache, und zeigte viel Verstand. Ich unterhielt mich mit ihm unter anderem über die verschiedenen Zweige und Verwandtschaften seiner Volkssprache und fand , dass er mir aus Erfahrung die nahe Verwandtschaft seiner Sprache mit dem Krainerischen, Böhmischen, Polnischen u. s. f. bestätigen konnte.“ Aus CARINTHIA I 2019

Obwohl sich die Windischen selber oft „Slowenen“ nennen, hatten sie sich in der Mehrheit nie als Slowenen gefühlt. Die Abneigung gegen den Balkan und gegen das slowenische Krain ist für die Windischen von jeher genauso charakteristisch gewesen, wie ihre Treue zu Kärnten und Österreich.

Als im Jahre 1918 die slowenischen Reichstagsabgeordneten eine Teilung Kärntens verfolgten, war eine Abordnung aus den gemischtsprachigen Gebieten Kärntens am 25. Mai 1918 bei seiner Majestät dem Kaiser in Baden, um gegen die Bestrebung auf Zerreißung der Landeseinheit von Kärnten Vorstellung zu erheben. Bei dieser Abordnung waren auch zwei Gailtaler Bürgermeister, nämlich Simon Michor, Bgmst. Gemeinde Emmersdorf (heute Nötsch) und Ludwig Pipp, Bürgermeister Gemeinde Egg (heute Hermagor) dabei.

Das Siedlungsgebiet der slowenischen Volksgruppe: Im unteren Gailtal, das noch um die Jahrhundertwende eines der drei slowenischsprachigen Kerngebiete war, ist heute die Anzahl der slowenischsprachigen Bevölkerung äußerst gering. Zwischen Hermagor und Feistritz im Gailtal ist eine slowenischsprachige Bevölkerung nur noch punktweise anzutreffen. Erst weiter talwärts gibt es in Feistritz, Achomitz und Göriach nennenswerte Zahlen zweisprachiger Bevölkerung. Entlang des wichtigen Verkehrsweges vom Grenzübergang Thörl-Maglern über Arnoldstein zum Verkehrsknotenpunkt Villach, ist die Bevölkerung der einzelnen Ortschaften wiederum fast rein deutschsprachig. Weiter südlich, entlang des Kleinen Feistritzbaches, finden sich dann in verkehrsungünstiger Lage wieder Ortschaften mit einer erheblichen Anzahl zweisprachiger Bevölkerung (St. Leonhardt bei Siebenbrünn, Korpitsch) ( aus: Zur Lage der Slowenen in Kärnten von Ralf Unkart – Gerold Glantschnig- Alfred Ogris )

Die kursiv gesetzten Texte sind Zitate. Ich bin in diesem Gailtal geboren, aufgewachsen und lebe seit Jahrzehnten hier und meine Wahrnehmung ist eine andere, die auch von den meisten Bewohnern unseres Gebietes geteilt wird.

Im 20 Jhdt. wird immer von slowenischsprachiger Bevölkerung im Gailtal gesprochen und geschrieben; in Wahrheit gibt es seit Jahrhunderten eine gemischtsprachige Bevölkerung, die neben der deutschen Sprache auch einen slawischen Dialekt spricht, und dieser Dialekt ist seit jeher Windisch.

Es gibt genug Unterlagen aus dem 18. Und 19. Jahrhundert, die das belegen.

Im Jahr 1918 begannen die Jugoslawen Kärntner Gebiete zu besetzen und für einen slowenischen Staat einzunehmen.

Am 5. November 1918 rückte die SHS-Polizei ins Rosental und das Untere Gailtal vor. Im Gailtal wurden die Ortschaften Maria Gail, Arnoldstein und St. Stefan im Gailtal besetzt, und man versuchte das Gailtal von seinem Versorgungs- und Absatzmarkt Villach abzusperren.

Am 1. Dez. 1918 wurde das Gendarmeriekommando Arnoldstein von 9 jugoslawischen Gendarmen besetzt und die deutsch-österreichische Gendarmerie erhielt den Befehl, sich nach Villach zurückzuziehen, nachdem als Demarkationslinie die Gailitz bis zur Mündung in die Gail, bestimmt wurde. An Kirchturm und Kaserne wurde die jugoslawische Fahne gehisst (aus Schulchronik Arnoldstein )

In Egg bei Hermagor versuchte der slowenische Reichstagsabgeordnete Dr. Franc Grafenauer mit seinen Verwandten eine slawische Verwaltung zu errichten. (Franc Grafenauer wurde wegen Hochverrats zu fünf Jahren Kerker verurteilt. Durch einen Amnestieerlass von 1917 musste er die Strafe nicht absitzen). Durch die Verurteilung verlor er sein Reichstagsmandat.

Nach seiner Freilassung kehrte er ins Gailtal zurück, wo er 1919 mit Freiwilligen eine Defensivwehr aufstellte. Nachdem eine militärische Verstärkung der Jugoslawen nicht rechtzeitig zu Hilfe geeilt war, (sie wurde in St. Stefan im Gailtal abgefangen) und sich die slowenischen Abwehrtruppen dadurch gezwungen gesehen hatten, ihre strategisch wichtigen Standorte Hermagor, Villach und Klagenfurt aufzugeben, musste Grafenauer wie viele seiner Landsleute auf gesichertes slowenisches Territorium flüchten. Noch im selben Jahr schickte man Grafenauer als Abgeordneten der Kärntner Slowenen nach Belgrad, dem Regierungssitz des Königreichs SHS. Erst 1925/26 konnte er nach Kärnten zurückkehren. (Entnommen aus der Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte von Katja Sturm-Schnabl )

Die Gailtaler, vorwiegend windische und deutsche Bauern und Arbeiter, sind spontan zusammengestanden und haben die Jugoslawen vertrieben. Am 24. November 1918 wurden sie von Maria Gail vertrieben und auch im November haben Windische den Gendarmerieposten und die Gemeinde St. Stefan von den Slawen geräumt und die slowenische Fahne vom Kirchturm geholt, die mit Hilfe des nationalslowenischen Pfarrers und des gleichgesinnten Bürgermeisters gehisst wurde. Die beiden sind unter Androhung, sie einzusperren, geflüchtet und die slowenischen Besetzer wurden zum Zug eskortiert, verladen und in Richtung Süden zurückgeschickt.

Windische aus der Umgebung haben im November 1918 die slowenischen Besetzer im Gasthaus Schnabl-Hrepec in Achomitz (das einzige Dorf im Gailtal, das heute über zwanzig Prozent Slowenenanteil hat) festgenommen und mit einem Pferdefuhrwerk hinter Arnoldstein gebracht.

Nachdem die Jugoslawen im November aus dem Gailtal gejagt wurden, sind am 31. Dezember 1918 der Pfarrer von Arnoldstein…, Besitzer Kreschitz, Michael, die Häupter der slawischen Propaganda in Arnoldstein, nach Krain geflüchtet und es unterblieb der kirchliche Gottesdienst. Mit ihnen flüchtete auch der Pfarrer von Göriach, von Fürnitz und auch der Besitzer Schaubach aus Draschitz, obwohl seitens der Bevölkerung denselben nichts angedroht wurde und ihnen in Anbetracht der slawischen Besetzung nichts geschehen konnte. (aus Schulchronik Arnoldstein)

Am 5/6. Jänner Befreiung von Arnoldstein:

Nachdem die Schule und der Gendarmerieposten in Arnoldstein besetzt wurden und das Gailtal abgesperrt war, hat sich die Gailtaler Bevölkerung spontan zusammengetan und unter Führung des Hauptmannes Karl GRESSL den Abwehrkampf begonnen.

In der „Kärntner Heimat“ vom 3. Oktober 1940 schildert Gressl das kühne Unternehmen der Befreiung Arnoldsteins:

Bereits im Dezember 1918 fasste ich den Plan, die Jugoslawen aus dem Raume Arnoldstein und Fürnitz auf eigene Faust zu vertreiben. Ich teilte dies meinen braven Bauern im Gailtal in verschiedenen Versammlungen mit und wir beschlossen, uns auf ein bestimmtes Zeichen zu sammeln und loszuschlagen. Ein Extrazug fuhr um fünf Uhr nachmittags von Mauthen ab, nahm von Ortschaft zu Ortschaft die herbeiströmenden Bauern und Arbeiter auf, und um 11 Uhr nachts waren wir in Nötsch angriffsbereit. Hier wurde die Mannschaft (Hermagorer und Nötscher Volkswehr, Freiwillige von Mauthen bis Hohenthurn) in drei Gruppen geteilt; jede Gruppe erhielt ihren besonderen Auftrag. Durch ein auftauchendes Gerücht, die jugoslawische Besatzung von Arnoldstein sollte durch zwei Kompanien verstärkt worden sein, wurde der Angriff etwas verschoben; es stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall war und dann konnte der Angriff losbrechen. Die Truppen bekamen das Signal zum Vorgehen. Alles klappte. Um Punkt 6:15 Uhr früh wurde die feindliche Bahnwache überrumpelt und die überwältigte südslawische Wache gefangengesetzt.

Ein zweiter Trupp der Angreifer unter dem tapferen Philipp Millonigg aus Hohenthurn, besetzte ebenso rasch das Pfarrhaus und die Post und hob die südslawischen Offiziere und das slawische Gendarmeriekommando aus.

Eine dritte Gruppe unter Führung des Leutnants Millonigg aus Vorderberg griff die Schule an. Nachdem ein jugoslawischer Posten niedergeschossen wurde, war die jugoslawische Besatzung des Schulhauses alarmiert und es kam zu einem Schusswechsel, bei dem Gendarmeriewachtmeister Johann Hubmann getötet wurde und Leutnant Millonigg Verletzungen erlitt, an denen er zwei Jahre später verstarb. Die Jugoslawen wurden festgenommen und über Fürnitz Richtung Villach gebracht und somit war das Gailtal befreit.

Ohne Befehle von oben sondern, auf freiwilliger Basis hat sich die Bevölkerung des Gailtales erfolgreich gegen die Eindringlinge gewehrt und sie auch vertrieben. Leider musste man auch den ersten Toten im Abwehrkampf zur Kenntnis nehmen.

Mit der Befreiung von Arnoldstein war für die Gailtaler der Abwehrkampf vorbei und sie erlebten die weiteren Geschehnisse und die Volksabstimmung nur mehr am Rande. Man kann ruhig und mit Stolz sagen, dass der Abwehrkampf hier im Gailtal seinen Anfang genommen hat.